LFQ - Netzwerk lesbisch-feministisch-queerer Forscherinnen

Aktuelles


  • Naechstes Treffen: 01.Februar 2008

    siehe Treffen

  • Der Beitrag von Michaela Baetz/Radio Z, Nürnberg, zur Initiative Queer Nations IQN und der Kritik vom lfq daran ist jetzt online verfügbar über das Austauschportal der Freien Radios

    http://www.freie-radios.net

    Unter der Archivnummer:

    13794. queer nations - eine initiative und eine kritik

    kann der Beitrag als MP3-file heruntergeladen oder online angehört werden. Für das lfq spricht Antke Engel und für die IQN Jan Feddersen.

  • lfq-Positionierung zur Initiative Queer Nations (30.04.2006)

    Mit der nachfolgenden Erklärung kritisiert das lesbisch-feministisch-queere Netzwerk (kurz: lfq), ein Netzwerk von derzeit über 60 Wissenschaftlerinnen vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, die patriotisch-nationalistischen und integrationspolitischen Prämissen der Initiative Queer Nations und fordert die Initiative zu einem kritischen Dialog auf.

    Das lfq-Netzwerk begrüßt und unterstützt die Idee, das Magnus-Hirschfeld-Institut gleichsam neu zu gründen und damit an eine Tradition teils kritischer Sexualwissenschaft anzuknüpfen, die diese mit dem Anspruch gesellschaftlicher Veränderung verbindet. Diesbezüglich müsste ein Teil der Forschungsarbeiten, die im Rahmen des neu zu gründenden Instituts entstehen, sich kritisch mit den problematischen Aspekten der Arbeit des Instituts für Sexualwissenschaft auseinandersetzen bzw. solchen, die im Institutsumfeld entstanden sind und sich mit den Stichworten: Eugenik/Rassenhygiene, Menschenversuche, kolonialistische Implikationen und Reproduktion sexistischer Geschlechterbilder umreißen lassen. Vielversprechend klingt das Projekt, ein gut ausgestattetes Zentrum (Institut) der Geschlechter- und Sexualitätenforschung, der lgbti-Bewegungen und der Queer Theory zu schaffen, das WissenschaftlerInnen verschiedener disziplinärerer Herkünfte sowie theoretischer (und politischer) Ausrichtungen die Möglichkeit gibt, ihre Forschung unter ökonomisch und akademisch anerkennenden Bedingungen durchzuführen. Wir bezweifeln jedoch angesichts der programmatischen Formulierungen in der Broschüre der Initiative, dass tatsächlich solch ein breiter, demokratischer Rahmen geschaffen werden soll. Um dies zu ermöglichen, müsste das Institut auch als ein Ort politischer Kontroversen konzipiert sein, der darauf ausgerichtet ist, widerstreitende politische Analysen und Perspektiven auszutragen und der Öffentlichkeit entsprechend zugänglich zu machen. Dies scheint uns nicht möglich, wenn das Institut, so wie jetzt von der „Initiative Queer Nations“ vorgeschlagen, a) unter patriotisch-nationalistischen Vorzeichen auftritt, sich b) auf eine minderheitenpolitische Argumentation festlegt und c) eine assimilatorische Perspektive der Normalisierung und Integration vertritt.

    Vor dem Hintergrund feministischer Kritik an Macht- und Herrschaftsverhältnissen sowie queerer Kritik an Identitätskonstruktionen und Integrationslogiken lehnen wir die drei genannten Prämissen der IQN ab und distanzieren uns davon, unter diesen Vorzeichen Wissenschaft zu betreiben. Warum denken wir, dass die Position von IQN weder mit lesbisch-feministischen Perspektiven noch mit unserem Verständnis von Queer Theory vereinbar ist? Viele queere und feministische Ansätze sind durch die Kritik an Minderheitenpolitik gekennzeichnet. Statt Einschluss und Anerkennung von Minderheiten zu fordern, trachten sie diejenigen Prozesse zu verändern, die hierarchische Unterscheidungen von „Mehrheit“ und „Minderheit“, von unhinterfragter „Normalität“ und „Abweichung“ produzieren. Dies heißt zum einen, die Verwendung von Identitätskategorien zu problematisieren, weil damit unweigerlich Normen der Zugehörigkeit und Ausschlüsse geschaffen werden. Zum anderen werden gesellschaftliche Werte, Normen und Institutionen dahingehend untersucht, wie sie zur Reproduktion von Macht- und Herrschaftsverhältnissen beitragen. Und schließlich geht es darum herauszufinden, wie die sozio-kulturelle Organisation von Geschlecht und Sexualität dazu beiträgt, gesellschaftliche Hierarchien, Dominanz- und Gewaltverhältnisse durchzusetzen und aufrecht zu erhalten – und wie Sexualität und Geschlecht hierbei mit antisemitischen, rassistischen, kapitalistischen, (post)kolonialistischen und nationalistischen Mechanismen der Differenzierung ineinander greifen.

    Insofern queere und feministische Theorie und Politik gesellschaftskritisch ausgerichtet sind, widersprechen Forderungen nach Integration in die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse oder eine Anerkennung durch diejenigen Instanzen, die soziale Dominanz, Unterordnung und Gewalt forcieren, dem kritisch-transformatorischen Anliegen. Die Normalisierung geschlechtlicher und sexueller Lebensformen wäre als Anpassung an, nicht als Kritik und Veränderung dieser Verhältnisse zu verstehen.

    Das Ansinnen, in eine „deutsche Nationalgeschichte, auf die man stolz sein kann“ aufgenommen zu werden, knüpft an Diskurse an, die uns nicht geeignet erscheinen, Verantwortung gegenüber der nationalsozialistischen deutschen Geschichte zu übernehmen. Zwar ist es richtig herauszustellen, dass Lesben und Schwule vom NS-Regime in unterschiedlicher Weise verfolgt wurden; ebenso wichtig ist es jedoch anzuerkennen, dass sie zum Teil auch als MittäterInnen und TäterInnen den Nationalsozialismus gestützt haben.

    Darüber hinaus hat der Begriff der Nation, auch in seiner Verwendung als Queer Nation, grundlegende Kritik erfahren, insofern er auf Dominanz, Ausschlüssen, Gewaltförmigkeit gründet, in denen sich nicht nur binäre Geschlechterverhältnisse und suprematistische Heteromaskulinität, sondern auch rassistische und (neo-)kolonialistische Diskurse Bestätigung finden.

    Darüber hinaus ist den lfq-lerinnen nicht klar, ob und in welcher Form Wissenschaftlerinnen, die in diesem Feld forschen, in die Initiative eingebunden werden sollen, da nicht einmal ein Bruchteil derer angesprochen worden ist, die hierfür einschlägig bekannt sind oder sein müssten. Überdies stellen die horrenden Vereinsmitgliedsbeiträge einen strukturellen Ausschluss von kleinen Projekten und Vereinen dar und verhindern deren etwaige Partizipation an der Initiative als stimmberechtigtes Vereinsmitglied.

    Da das Ziel, einen solchen außeruniversitären Ort der Wissensproduktion zu schaffen, grundsätzlich sehr zu begrüßen ist, fordern wir die Initiative Queer Nation vor dem Hintergrund der angeführten Kritik zu einer Stellungnahme auf. Für eine Unterstützung der Initiative durch das Netzwerk lesbisch-feministisch-queerer Forschung ist eine Veränderung des Namens und eine Revision der (patriotisch-)nationalistischen Programmatik sowie der integrationistischen Perspektive dringend erforderlich. Im Sinne einer lebendigen politischen Kontroverse und angesichts der medialen Präsenz, die die Initiative für sich beansprucht, haben wir uns entschieden, mit unserer Kritik ebenfalls an die Öffentlichkeit zu gehen, sollte diese Revision nicht eintreten. Wir würden es begrüßen, wenn unsere Kritik sowie eventuell daraus resultierende Debatten auf der website der Initiative veröffentlicht würden.

    30. April 2006

    Andrea Bettels, M.A. (Berlin/Greifswald)
    Susanne Bischoff (Bad Gandersheim)
    Ingeborg Boxhammer, M.A. (Bonn)
    Prof. Dr. Claudia Breger (Bloomington_USA)
    Dr. Gabriele Dennert (Nürnberg/Berlin)
    Dr. Antke Engel (Hamburg)
    Dr. Waltraud Ernst (Hildesheim)
    Dagmar Fink, M.A. (Wien_Österreich)
    Dr. Natalia Gerodetti (Lausanne_Schweiz)
    PD Dr. Hanna Hacker (Wien_Österreich)
    PD Dr. Sabine Hark (Berlin)
    Doris Hermanns (Utrecht/Amsterdam_Niederlande)
    Jennifer Jäckel, M.A. (Freiburg)
    Ulrike Janz (Bochum/Dortmund)
    Dr. Claudia Jarzebowski (Berlin)
    Anelis Kaiser (London_Großbritannien/Basel_Schweiz)
    Elke Kasimir (Berlin)
    Katja Koblitz, M.A. (Berlin)
    Claudia Koltzenburg, M.A. (Hamburg)
    Sonya Kraus, M.A. (Helsinki_Finnland/Berlin)
    Dr. Marina Krug (Berlin)
    Lena Laps (Bochum)
    Dr. Christiane Leidinger (Berlin)
    Renate Lorenz (Berlin)
    Kerstin Mächler, M.A. (Dresden)
    Dr. Madeleine Marti (Zürich_Schweiz)
    Dr. Gabriele Mietke (Berlin)
    Irene Mueller (Luzern_Schweiz)
    Dr. Katharina Pewny (Hamburg/Wien_Österreich)
    Heike Raab (Frankfurt)
    Franziska Rauchut, M.A. (Berlin)
    Dr. Heike Schader (Hamburg)
    Dr. Anita Winter (Erlangen)
    Dr. Gisela Wolf (Freiburg)

  • Die Antwort von ( IQN) ist online verfügbar unter

    http://www.queer-nations.de/de/wissenschaft_forschung/Debatte.html